2013/12/18

[Deutsch] Von der Leyen im Bundesministerium der Verteidigung

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(English version here.)

Von der Leyen führt nun unser Verteidigungsministerium. Die bisherige Karriere als Politikprofi umfasste Posten für Soziales, Familie, Senioren und Gesundheit.
Unsere Medien picken auf dieser Personalie besonders herum, weil hier das Missverhältnis zwischen Amt und Sachkompetenz in neuen Bundeskabinett am Größten ist. Es ist ohnehin spürbar, dass die veröffentlichte Meinung der Großen Koalition mehrheitlich beinahe feindlich gesinnt ist und von ihr keine Antworten auf dringende Probleme erwartet.

Die Hardthöhe von außen, (c) Thomess
Es ist schließlich eine Koalition unter konservativer Führung. Und Konservative haben im politischen Spektrum (legitimerweise) die Rolle der Bremser und Verhinderer. Das mittlerweile wiederbelebte CDU Wahlkampfmotto "Keine Experimente!" aus den 50ern trifft es sehr gut. Mit Ausnahme der Wiedervereinigung gab es von seiten der Konservativen auch nicht viele Experimente seit den 60ern.
Wer für die CDU stimmt, versteht wohl, dass damit eine Stimme für politische Inaktivität und für die Verwaltung Deutschlands statt für eine Reform Deutschlands abgegeben wird.

Merkel (offiziell eine Konservative) ist vor allem darauf fixiert, etwas ganz Spezielles zu bewahren: Den eigenen Verbleib im Bundeskanzleramt. Sie ist inzwischen bekannt für plötzliche 180° Wenden gegen langjährige CDU Positionen (Beispiele: Energiewende, Wehrpflicht), sobald der Druck groß genug wird. Diese Praxis bewahrt die Macht: Merkel verlängert die eigene Zeit im Bundeskanzleramt, indem Merkel selbst die nötigen drastischen Kurskorrekturen vornimmt, bevor die Wähler es tun.

Einige Kommentare in den Medien tun immer noch so, als ob von der Leyen von Merkel gefördert und protegiert würde. Die haben scheinbar nicht mitbekommen, dass die Hardthöhe ein Grab für aufstrebene Politikerkarrieren und potentielle Kanzlerherausforderer ist und dass Merkel bisher noch die politische Karriere aller potentiellen Herausforderer rechtzeitig beendet hat.
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Es ist gar nicht einmal ein großes Problem, wenn man mal für eine Amtszeit einen inkompetenten Karrierepolitiker an der Spitze der Hardthöhe hat. Dies gilt umso mehr, als wir in recht ruhigen Zeiten leben.
Man hat allerdings ein riesiges Problem, wenn man bereits eine Serie von solchen inkompetenten Politikern über einen Zeitraum von 25 Jahren hatte.

Das Problem dabei ist, dass man so lange keine effektive, strenge zivile Führung des Ministeriums hatte. Das Ministerium ist eine Bürokratie und Bürokratien tendieren dazu, sich im Eigeninteresse zu verhalten statt im besten Interesse des Landes als Ganzes. Es sei denn, die zivile Aufsicht und Führung ergreift fest die Zügel und führt die notwendigen Korrekturen durch.

Ein anfangs noch inkompetenter Minister ist höchstwahrscheinlich nicht dazu in der Lage, denn solch eine Person muss erst einmal einen wochenlangen Schnellkurs mit auswendig zu lernenden Infos über das Ministerium durchlaufen - der von der Bürokratie selbst durchgeführt wird. Auf diese Weise können Zivilisten und Offiziere einen inkompetenten Verteidigungsminister nach ihren bürokratischen Vorlieben formen. Die Führung und Aufsicht durch einen solchen Minister ist normalerweise wertlos.

Nur mal ein Beispiel; der Heeresinspekteur könnte den Minister über die Heeresstruktur aufklären und dabei sagen, dass diese oder jene Brigade als Auftrag die Befähigung zum Gefecht der verbundenen Waffen hätte. Ein unwissender Minister wüsste nichts darüber. Er würde deshalb nicht bemerken, dass keine Artillerieeinheit in der Brigade enthalten ist und würde nicht fragen, ob denn wenigstens das Panzergrenadierbataillon Mörser hat. Dementsprechend würde übersehen, dass es eben keine Mörser mehr hat. Der extrem peinliche Umstand, dass ganze deutsche Heeresbrigaden* keine Steilfeuerkomponente mehr haben und bei ihnen deshalb auch keine nennenswerte Befähigung zum Gefecht der verbundenen Waffen** vorhanden ist, würde nicht erkannt.
Es ist ähnlich mit vielen anderen Unzulänglichkeiten; die Bürokraten in und ohne Uniform können einem unwissenden Minister ihre Version der Realität auftischen - einschließlich ihrer Wunschlisten, welche der unwissende Minister nicht verstehen kann.

Dies würde nicht einmal so schlimm sein, wenn Politiker sich wirklich vertieftes Fachwissen rasch im Amt aneignen könnten. Es ist leider eine gültige Faustregel, dass Politiker im Kabinett dafür viel zu beschäftigt sind und nicht viel Tiefschürfendes lernen können. Sie hängen davon ab, dass sie sich in früheren, weniger geschäftigen, Zeiten das nötige Fachwisen und die nötige eigene Perspektive angeeignet haben. Dies spricht sowohl für beschränkte Amtszeiten als auch gegen fachunkundige Minister.

alte Blogtexte mit Bezug zum Thema:
2013-08 More about armed bureaucracies
2013-08 Niskanen's bureaucrats
2012-05 Rank inflation in the Bundeswehr
2010-08 Bundeswehr structure- what I would do
2010-02 Panzergrenadiere in the 2010's

Die Bundeswehr wird vermutlich weitere vier Jahre auf Autopilot verbringen, getrieben von bürokratischen Eigeninteressen und Trägheit anstatt von wohlüberlegten Reformen. Es mag wohl Umorganisationen und einige Entscheidungen über große Beschaffungsprojekte geben und die Presse mag diese dann "Reformen" nennen, aber es wird wohl nicht das sein, was die Bundeswehr wirklich dringend braucht.

S O

*: Panzerbrigade 12Panzergrenadierbrigade 37 
**: Infanterie + Panzer ist eine triviale Kombination. Es braucht zumindest noch zusätzliche Mörser, damit es Sinn macht, vom "Gefecht der verbundenen Waffen" zu sprechen. Besser noch Artillerie. Die Fähigkeit, externe Unterstützung herbei zu rufen, qualifiziert auch nicht dazu. Die Panzerbrigade 12 hat keine mächtigere Steilfeuerwaffe als die ans Sturmgewehr montierten 40 mm Granatgeräte, weil die Panzergrenadiere schon vor Jahren ihre 120 mm Panzermörser abgeben mussten.


P.S.:  Unser Heer hat inoffiziell bereits das Konzept von permanenten Heeresformationen aufgegeben. Unsere Heeresformationen sind nicht ausgelegt, um als solche eingesetzt zu werden. Sie dienen vielmehr als Pools, aus denen man Einheiten für Auslandseinsätze herausziehen kann. Die Gliederung ist nur noch relevant für Verwaltungsaufgaben und Führung daheim, nicht als potentielle Gliederung im Konflikt. Es ist daher eine vorgetäuschte Heeresstruktur. Wir hätten Artillerie und Heeresflugabwehr in allen Brigaden, wenn dem nicht so wäre.
Ich habe es vermieden, von der Leyen's Geschlecht hier zum Thema zu machen, weil es eigentlich irrelevant ist. Die Medien lieben es aber sich darauf zu beziehen, weil es ein für jeden verständlicher Hinweis auf mögliche Inkompetenz ist.

Nachtrag 2013-12-21:
Zu allem Überfluss hat sie auch noch den beamteten Staatssekretär Wolf entlassen und durch einen völlig fachfremden beamteten Staatssekretär ihres Privatgefolges ersetzt. Die Entlassung an sich mag womöglich eine gute Idee gewesen sein, aber einen fachfremden Gefolgsmann als Ersatz einzusetzen verschlimmert das allgemeine Kompetenzproblem nur noch.
 

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